Ernährung und ganzheitliche Therapie bei Krebs: Vorsicht mit Empfehlungen

Ganzheitliche Therapieempfehlungen bei Krebs sind heikel, schnell kann der Eindruck entstehen, man würde unberechtigte Hoffnungen schüren und dadurch Patienten von einer sinnvollen Therapie – wer auch immer definiert, was das sein soll – abzuhalten. Aus Erfahrung kann ich jedenfalls sagen: Versuchen Sie nicht jemandem Hinweise oder Tipps zu geben, der sie nicht haben will; z. B. wenn Angehörige von Ihnen Krebs haben, Sie selbst zwar ganzheitlich denken, aber Ihr Angehöriger sich komplett auf die Schulmedizin verlässt. Lassen Sie ihn oder sie den selbst gewählten Weg gehen! (Falls dagegen Motivation und Eigenverantwortung für eine ganzheitliche Therapie beim Patienten selbst vorhanden sind, empfehle ich die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr, die mit einem breiten Informationsangebot – auch im Internet – und erfahrenen Fachleuten helfen kann.)

In punkto langfristiger Prophylaxe ist es mit ganzheitlichen Empfehlungen etwas einfacher. Kurz und knackig: Gesundes Leben lohnt sich. Na, wer hätte das gedacht?! Das individuelle Krebsrisiko hat statistisch gesehen für die große Masse nur in geringem Maße mit Genen oder Schicksal zu tun hat, sondern wird zu einem großen Teil durch den Lebensstil beeinflusst. Die Zahl der erblich bedingten Krebsfälle rangiert unter zehn Prozent. Für die überwiegende Mehrheit gilt: Krebs wäre vermeidbar. Das klingt hart für die Betroffenen (nämlich nach „selbst schuld“), aber in der Therapie geht es nie darum, Schuldige zu finden.

Um welche Lebensstilfaktoren, die Krebs begünstigen oder fördern, geht es?

  • Rauchen
  • Übergewicht
  • Mangel an körperlicher Bewegung
  • Zusammensetzung der Nahrung
  • Alkohol

Bei der ungünstigen Ernährung geht es vor allem um zu wenig pflanzliche, zu viele tierische Lebensmittel. Der risikosteigernde Effekt von rotem Fleisch ist für viele Krebsarten (z. B. Dickdarmkrebs) ebenso gut belegt wie senkende Effekt einer pflanzlich betonten Ernährung. Die Bevölkerungsgruppe mit dem niedrigsten Gemüseverzehr weist auch die höchsten Krebsraten auf – und das nicht nur weil in dieser Bevölkerungsgruppe auch am meisten geraucht und zu viel gegessen wird.

Krebs ist in erster Linie keine lokale Erkrankung, sondern eine Störung im Gesamtorganismus. In unserem Organismus entarten ständig Zellen zu Krebszellen, aber diese Prozesse werden häufig vom Organismus korrigiert bzw. unter Kontrolle gehalten. Eine schlechte Ernährung (Fast Food, Fleisch, Wurst, Süßigkeiten im Übermaß u.a.) auf der einen Seite und ein ernährungsbedingter Mangel an wertvollen Mikronährstoffen, die die Abwehr bzw. Zellkontrolle fördern, kann dazu beitragen, dass Entartungsprozesse mehr Raum einnehmen. Erwähnenswert, obwohl in Deutschland selten geworden, ist noch ein sehr hoher Salzkonsum (früher durch Pökeln etc. mehr verbreitet), er steigert das Risiko für Magenkrebs.

Merkwürdigerweise spielt Ernährung, obwohl als Vorbeugefaktor berühmt, keine Rolle in der Krebstherapie. Der berüchtigte Rat von konventionellen Krebsmedizinern lautet: „Essen Sie, was Ihnen schmeckt …“ Das hat fast einen Beiklang von Mitleid und man könnte sich den Nachsatz vorstellen: „… sonst bleibt Ihnen ja nicht mehr viel“. Komisch: Kein Arzt traut sich, Krebspatienten zu raten, sie sollten weiter rauchen, um die Lebensqualität zu erhalten. (Übrigens nennen sich heute fast alle Onkologen „ganzheitlich“, weil es irgendwie den Patienten beruhigt oder dem Marketing dient, und würden den Begriff „konventionell“ als Schimpfwort zurückweisen. Mir geht es aber gar nicht darum, Ärztinnen und Ärzte, die einen harten Job haben, zu beschimpfen, sondern Laien für andere Sichtweisen zu sensibilisieren.)

Eine Ernährungstherapie zielt nicht darauf ab, mit einzelnen Lebensmitteln Krebs zu heilen, wie mancher prominente Buchtitel denken lässt (z. B. „Krebszellen mögen keine Himbeeren“). Vielmehr geht es zunächst darum, die Lebenskraft des Patienten zu stärken und eine insgesamt gesündere Ordnung wieder herzustellen.

Im Vergleich mit chirurgischen, chemo- oder strahlentherapeutischen Maßnahmen wirken Ernährung und allgemein „diätetische“ Maßnahmen, also die Änderung des Lebensstils, in der Tat sanft und langsam. Daher erscheint es zunächst unplausibel bis fatal, auf sie STATT auf Schulmedizin zu setzen. Allerdings, wenn man Verläufe unter Chemotherapie kennt, könnte man für viele auch sagen: Wer sanft behandelt, dem bleibt vielleicht noch mehr Zeit, als dem, der ohne Rücksicht auf Verluste die Krankheit bekämpft. Bei einigen Krebsarten funktioniert dieser Vernichtungsfeldzug zwar, bei vielen Krebsarten vernichtet die Chemotherapie aber leider auch den Patienten. Wer schon ein paar Jahre älter ist (wie ich), hat dies mit Sicherheit schon bei Bekannten oder Verwandten erlebt. Wenn daher von der Warte der Schulmedizin ganzheitlichen Therapien vorgehalten wird, ihre Wirksamkeit sei wissenschaftlich nicht erwiesen, dann müsste sie eigentlich eingestehen, dass das Urteil über die Chemotherapie für viele Krebsarten eher noch härter ausfällt: deren schlechte Nutzen-Schaden-Bilanz ist in vielen Fällen sogar wissenschaftlich erwiesen. Nur gibt es ständig therapeutische Innovationen, als immer teurere chemische Medikamente, die mit neuen Verheißungen der Pharmaindustrie ausgestattet sind.

Was heißt eigentlich „therapeutischer Erfolg“? Der Patient versteht darunter, dass der Krebs wieder „weg“ ist wie vor der Diagnose. Dies ist meist der erste Zahn, der dem Patienten in der Ganzheitsmedizin gezogen werden muss: Es geht nicht darum, Krankheiten loszuwerden, sondern besser mit ihnen zu leben – auch wenn tatsächlich in einem Teil der Fälle so etwas wie vollständige Heilung, aber doch meist eher im Sinne von Symptomfreiheit, eintritt.

Ein Krebs wächst manchmal über 10, 15 oder 20 Jahre, bevor er diagnostiziert wird – und der Mensch lebt bis dahin oft nicht schlecht und danach vielleicht noch Wochen, Monate oder eben weitere 5, 10 oder 15 Jahre. Wann in diesen ganzen 35 Jahren vom Beginn der Pathogenese angefangen war er denn noch gesund, wann wurde er krank, wann wurde er wieder gesund? Und wenn er am Ende doch an Krebs stirbt – 10 Jahre nach der Diagnose –, war er dann die ganze Zeit doch unheilbar krank? Die Schulmedizin nennt es jedenfalls Heilung, wenn der Patient nach fünf Jahren noch lebt.

Der Umgang mit Krebs im Alltag und in der hiesigen Medizin verweist darauf, dass wir extrem einseitige Vorstellungen von Krankheit, Gesundheit und Heilung haben. Dieses Schwarzweißbild entspricht unseren psychischen und psychosozialen Bedürfnissen, Krankheit und Tod zu verdrängen. Ich bin da auch nicht anders „drauf“ als das Gros der Gesellschaft, aber als (Psycho-)Therapeut vielleicht etwas eher geneigt, Ohnmacht und Hilflosigkeit nicht nur zu verdrängen und mich von den Realitäten, wenn sie unübersehbar sind, nicht abzuwenden.

PS. Damit keine Missverständnisse entstehen: Die chirurgische Entfernung der Krebsgeschwulst ist häufig eine sinnvolle Maßnahme, die dann auch von den allermeisten Ganzheitsmedizinern befürwortet wird. (Eine Ausnahme kann z.B. der Prostatakrebs je nach Art, Stadium und Alter sein, mit dem kann mann evtl. gut zusammenleben bis zum Lebensende.) Allerdings trifft die häufig mit der OP verbundene Hoffnung, der Krebs sei damit „weg“, nicht zu.

 

Grafik: © Mohammed Hassan auf Pixabay

Text: © Christoph Wagner, 1. Vors. NHV Taunus, 2024

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